Kaiserschnitt oder Natürliche Geburt: Vor- und Nachteile, Fakten und Ablauf

Redaktion
Michelle Krah

Die Ankunft eines Kindes ist ein bedeutender Moment im Leben einer Familie. Doch nicht immer verläuft die Geburt auf natürlichem Wege. In diesem Artikel klären wir mit Hilfe einer erfahrenen Chefärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe über die Risiken und möglichen Komplikationen eines Kaiserschnitts auf und erläutern den genauen Ablauf des Eingriffs.

In Deutschland kommen immer mehr Babys per Kaiserschnitt zur Welt: Laut Statistischem Bundesamt waren 2023 rund 218.000 Geburten Kaiserschnitte. Das sind 32,6 Prozent. Vor 35 Jahren lag die Rate noch bei etwa 9 Prozent.

Diese Entwicklung wirft Fragen auf: Warum ist das so – und was bedeutet es für Mütter und Neugeborene?

Wie läuft ein Kaiserschnitt ab?

Ein Kaiserschnitt ist eine große Bauchoperation. Das Baby wird durch einen horizontalen Schnitt in Bauchdecke und Gebärmutter geholt. Man unterscheidet dabei zwischen zwei Arten:

  • Primärer Kaiserschnitt: Geplant vor Beginn der Wehen, meist aus medizinischen Gründen. Die Mutter bekommt eine Regionalanästhesie, bleibt wach und erlebt die Geburt mit.

  • Sekundärer Kaiserschnitt: Wird während der Geburt notwendig, wenn Probleme auftreten; etwa, wenn die Geburt für längere Zeit stockt. Auch hier wird meist regional betäubt, in Notfällen findet der Eingriff unter Vollnarkose statt.

Ablauf des Kaiserschnitts: Nach gründlicher Vorbereitung und Betäubung wird ein etwa 10 bis 15 Zentimeter langer Schnitt knapp über dem Schambereich gesetzt. Über die geöffnete Bauchdecke und Gebärmutter wird das Baby behutsam geboren. Daraufhin wird die Nabelschnur des Babys abgebunden und durchtrennt. Anschließend wird das Baby versorgt und der Mutter für den ersten Hautkontakt auf die Brust gelegt. Gebärmutter und Bauchdecke werden wieder verschlossen. Die Dauer des Eingriffs beträgt meist 30 bis 60 Minuten, je nach individuellen Gegebenheiten.

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Natürliche Geburt oder Kaiserschnitt? Eine Entscheidung, die wohlüberlegt sein sollte

Doch obwohl eine Operation auch Risiken und Komplikationen mit sich bringt, fällt die Entscheidung mittlerweile immer häufiger auf einen Kaiserschnitt. Und das auch, wenn er medizinisch gar nicht notwendig ist. „Frauen sind heute unabhängiger und selbstbewusster – sie wollen mehr Kontrolle und planen ihr Leben bewusster. Auch die Work-Life-Balance spielt eine deutlich wichtigere Rolle in der heutigen Zeit“, sagt Dr. Ute Jarchau, Chefärztin der Hauptabteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Frauenklinik Dr. Geisendorfer in München.

Typische Gründe für einen Kaiserschnitt

Es gibt viele Gründe, warum ein Kaiserschnitt nötig oder sinnvoll sein kann. Man unterscheidet zwischen zwingenden und nicht-zwingenden Gründen.

Zwingende Gründe

Zwingende Gründe für einen Kaiserschnitt sind medizinische Indikationen, die eine vaginale Geburt riskant oder unmöglich machen. Dazu gehören etwa:

  • Geburtsstillstand

  • ungünstige Lage des Kindes

  • Plazenta-Probleme

  • Mehrlingsgeburten

  • ernsthafte Gesundheitsrisiken für Mutter oder Kind

Nicht-zwingende Gründe

Bei nicht-zwingenden Gründen wäre auch eine natürliche Geburt möglich. Jedoch entscheidet sich die Mutter oder das medizinische Personal für einen Kaiserschnitt. Zu den möglichen Gründen zählen:

  • vorangegangener Kaiserschnitt

  • großes Baby

  • Alter der Mutter

Notfallkaiserschnitt

Ein Notfallkaiserschnitt wird bei akuter Lebensgefahr für Mutter oder Kind durchgeführt, zum Beispiel bei Herzfrequenzabfall, Geburtsstillstand oder starken Blutungen.

Wunschkaiserschnitt

Nicht nur werdende Mütter, sondern auch Gynäkologinnen oder Gynäkologen tendieren dazu, sich immer häufiger für einen Kaiserschnitt zu entscheiden. Dr. Jarchau erklärt: „Die Ausbildung ist heute anders als vor 30 Jahren und Frauen sind viel besser aufgeklärt. Jeder medizinische Schritt, wie beispielsweise die Notwendigkeit eines Dammschnittes, wird den Patientinnen erklärt und sie möchten selbstverständlich aktiv mitbestimmen.“

Ein Wunschkaiserschnitt wird aus nicht-medizinischen Gründen gewählt. Frauen entscheiden sich manchmal für diese Option aus persönlichen oder sozialen Gründen:

  • Angst vor der Geburt: Einige Frauen haben große Angst vor den Schmerzen und Unwägbarkeiten einer natürlichen Geburt.

  • Planbarkeit: Ein Kaiserschnitt kann besser geplant werden, was einigen Frauen mehr Sicherheit gibt. Auch die Dauer der Operation ist kürzer als die vaginale Geburt.

  • Vermeidung von Geburtsverletzungen: Manche Frauen möchten das Risiko von Geburtsverletzungen minimieren.

In diesem Zusammenhang nennt die Chefärztin auch die Ästhetik als Grund für einen Wunschkaiserschnitt. Manche Frauen bevorzugen eher eine Bikininarbe als einen ausgedehnten Beckenboden oder eine mögliche Stuhlinkontinenz. Dabei kann sich der Beckenboden mit gezieltem Training und etwas Geduld meist vollständig regenerieren. Eine Stuhlinkontinenz kann zudem auch nach einem Kaiserschnitt auftreten. Eine Studie mit 506 Frauen verzeichnete bei 6,6 % der Teilnehmerinnen eine Stuhlinkontinenz nach einer vaginalen Geburt und bei 4,5 % nach einem Kaiserschnitt.

 

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Kaiserschnitt: Komplikationen, Risiken und Langzeitfolgen

Ein Kaiserschnitt zählt in Geburtskliniken heutzutage zu den Routine-Eingriffen – aber er bleibt eine große Operation mit möglichen Folgen. „Für die Mutter bedeutet der Kaiserschnitt einen tiefen Eingriff in den Körper. Es kann zu erhöhtem Blutverlust kommen – im schlimmsten Fall kann sogar die Gebärmutter entfernt werden müssen. Zudem können spätere Schwangerschaften durch die Narbe komplizierter verlaufen.“ sagt Dr. Jarchau.

Risiken und Folgen

Langfristig kann ein Kaiserschnitt das Risiko für Plazenta praevia, eine Schwangerschaftskomplikation, bei der die Plazenta den inneren Muttermund teilweise oder vollständig bedeckt, oder Gebärmutterrisse bei weiteren Schwangerschaften erhöhen. Und der Heilungsprozess dauert: Die Bauchmuskulatur sollte erst nach etwa drei Monaten wieder trainiert werden. Auch ein Taubheitsgefühl an der Bauchdecke ist möglich.

Die Wunde nach der OP

Nach einem Kaiserschnitt können außerdem Schmerzen an der Wunde auftreten, die durch die Heilung der Kaiserschnittnarbe verursacht werden. Schmerzen an der Wunde sind normal und klingen meist nach einigen Wochen ab. Gelegentlich können Narbenprobleme auftreten, wie starkes Ziehen, Keloide (hervorstehendes, wucherndes Narbengewebe) oder vorübergehende Taubheit.

Sollten Frauen nach einem Kaiserschnitt unter Symptomen wie verlängerter oder stärkerer Blutung oder Schmerzen im Unterleib leiden, sollten sie aufhorchen. Denn sie könnten unter einer sogenannten Caesarean Scar Disorder (Störung der Kaiserschnittnarbe) leiden. Auf diese Krankheitsdefinition hatte sich eine Expertengruppe geeinigt. Nicht immer verheilt die Wunde im Uterus glatt. Bei etwa 60 Prozent der Frauen lassen sich später im Ultraschall Narbendehiszenzen (Aufreißen der Narbe) und Aussackungen in der Uteruswand beobachten, in der englischen Sprache auch als „niche“ (Nische) bezeichnet.

Eine Kaiserschnittnarbe gilt als gestört, wenn sich an der Stelle der Narbe in der Gebärmutter eine Vertiefung bildet und man dadurch bestimmte Beschwerden hat – zum Beispiel starke oder ungewöhnliche Regelblutungen, Schmerzen oder Probleme, schwanger zu werden.

Mögliche psychische Folgen für Mutter und Kind

Neben körperlichen Folgen sind auch psychische Belastungen möglich. Das Risiko einer postpartalen Depression kann durch einen Kaiserschnitt steigen. Einige Frauen haben Schwierigkeiten, sich emotional mit ihrem Baby zu verbinden, vor allem bei ungeplanten Eingriffen. 

Die Art der Geburt beeinflusst die hormonelle Regulation, die für die Mutter-Kind-Bindung entscheidend ist. Während einer natürlichen Geburt werden Hormone wie Oxytocin ausgeschüttet, die die Bindung zwischen Mutter und Kind fördern. Bei einem Kaiserschnitt kann diese hormonelle Reaktion gestört sein, was zu einer schwächeren Bindung führen kann.

Da das Kind anders als bei einer natürlichen Geburt durch einen Kaiserschnitt sehr schnell aus seiner gewohnten Umgebung gerissen wird, kann es zudem sein, dass es dadurch Anpassungsstörungen entwickelt, sagt Dr. Jarchau.

Vaginal Seeding

Vaginal Seeding ist eine Methode, bei der das Baby nach einem Kaiserschnitt mit einem Tupfer, der mit der Vaginalflora der Mutter benetzt ist, abgetupft wird. So soll die Bakterienbesiedelung, die bei einer natürlichen Geburt stattfindet, nachgeahmt werden, um das Immunsystem des Kindes zu unterstützen. Wissenschaftlich ist der Nutzen bisher nicht eindeutig belegt. Bei Infektionen der Mutter kann die Methode riskant sein und sollte nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. „Diese Methode war kurzzeitig im Trend, ist nun aber wieder abgeflaut“, erklärt die Expertin.

Vorteile einer natürlichen Geburt

Dr. Jarchau bringt es auf den Punkt: „Jede natürliche Geburt ist ein Wunder. Sie schafft eine starke Verbindung zwischen Mutter und Kind, weil die Frau dabei aktiv mitarbeitet und das Kind ganz bewusst zur Welt bringt.“

Durch den physiologischen Ablauf der Wehen und die vaginale Passage werden hormonelle Prozesse wie der Anstieg von Prolaktin und Endorphinen gezielt und intensiv angeregt, während diese bei einem Kaiserschnitt – insbesondere ohne vorhergehende Wehentätigkeit – oft nur verzögert oder in geringerem Ausmaß ausgelöst werden. Prolaktin unterstützt nicht nur die Milchbildung, sondern auch das mütterliche Fürsorgeverhalten. Endorphine lindern den Geburtsschmerz und fördern zusätzlich ein Gefühl von innerer Ruhe, Wohlbefinden und emotionaler Offenheit gegenüber dem Neugeborenen.

Die natürliche Geburt stärkt nicht nur die Bindung zwischen Mutter und Kind, sondern ist auch für den Vater ein wichtiger Moment. Die gemeinsame Erfahrung fördert den Zusammenhalt in der Familie. „Die Stimmung und Energie in einem Kreißsaal ist eine völlig andere als in einem OP-Saal“, sagt sie.

Positiv an der vaginalen Geburt ist außerdem die Erholungszeit, welche deutlich geringer ist als nach einem Kaiserschnitt.

Vorsorge in der Schwangerschaft

Werdende Eltern wünschen sich, dass ihr Nachwuchs gesund auf die Welt kommt. Die IKK classic unterstützt sie dabei bestmöglich.

Eine wichtige Entscheidung für werdende Eltern

Die Entscheidung für die beste Geburtsmethode ist für werdende Eltern nicht einfach. Unsere Expertin nennt hilfreiche Tipps, um bei dieser wichtigen Entscheidung zu unterstützen.

Ängste vor der Geburt abbauen

Häufig erzählen Familienmitglieder, Arbeitskolleginnen oder andere außenstehende Personen über ihre eigenen Erfahrungen oder Schauermärchen über die natürliche Geburt. Dr. Jarchau betont, man solle sich von diesen Geschichten nicht beeinflussen zu lassen. Ängste vor der natürlichen Geburt können beispielsweise durch das Gespräch mit anderen Müttern genommen werden. Auch in Schwangerschaftskursen können sich werdende Mütter kennenlernen und sich ohne Vorurteile über Ihre Ängste austauschen.

Die richtige Hebamme

Werdende Eltern sollten sich frühestmöglich – bestenfalls direkt ab Bekanntsein der Schwangerschaft – eine passende Hebamme suchen. Die Hebamme wird Sie nicht nur vor und nach der Geburt unterstützen, sondern kann Sie auch während des Wochenbetts besuchen. Achten Sie darauf, dass Chemie und Sympathie mit der Hebamme übereinstimmen. So können Sie eine Bindung aufbauen und frei über Ihre Sorgen und Wünsche sprechen.

PDA (Periduralanästhesie)

Wer sich besonders vor den Schmerzen bei einer natürlichen Geburt fürchtet, dem legt Dr. Ute Jarchau eine Periduralanästhesie, kurz PDA, nahe. Dabei können die Schmerzen bei der Geburt wirksam gelindert werden – und die Geburt kann dennoch im wachen Zustand miterlebt werden. Eine PDA kann auch bei einem Kaiserschnitt verwendet werden. Bei diesem Verfahren wird ein Schmerzmittel über einen dünnen Schlauch in den unteren Rücken gespritzt, in die Nähe des Rückenmarks. Die Methode gilt als sehr effektiv, kann aber Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall, starke Kopfschmerzen oder – in seltenen Fällen – Nervenschäden mit sich bringen.

Jede Geburt ist anders

Es ist wichtig, dass sich werdende Mütter, idealerweise gemeinsam mit dem werdenden Vater, frühzeitig darüber informieren, welche Methode für sie am besten passt. Als Frau haben Sie das gute Recht, Sorgen und Ängste zu haben. Sie sollten jedoch darüber sprechen – ohne sich zu sehr von anderen Meinungen oder Horrorgeschichten beeinflussen zu lassen.

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Veröffentlicht am 13.06.2025

Quellenangaben

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